Ich schaue angestrengt auf das Papier. Lese Erklärungen und Erläuterungen. Interpretiere Skizzen und Graphen und blättere mich durch die Seiten, um eingefügte Textstellen zu finden, die mit Sternchen markiert sind. Ab und an huscht meine grüne Tinte über das Papier und ich markiere Rechtschreibfehler oder ein falsch gesetztes Zeichen. Und dann ist es soweit. Der Punkt meiner Korrektur, an der ich innerlich anfange, zu zittern. Ich zähle die Punkte der Arbeit zusammen. Ich atme hörbar aus und lächele. Eine 1. Wie toll. Ich freue mich, weil ich weiß, dass der Schüler sich ebenfalls freuen wird. Und irgendwie fühle ich auch ein bisschen Stolz. Nicht auf mich natürlich – auf meinen Schüler, der die Aufgaben so toll gelöst hat. 

Ich notiere mir die Note, zusammen mit der Punktzahl und beginne voller Elan mit der nächsten Klausur. Ich setze Häkchen und nicke immer wieder anerkennend. Eine tolle Klausur. Ich überlege unbewusst, ob ich die Note auch vorausgesagt hätte. Vermutlich ja – jedenfalls war mir bewusst, dass es eine so tolle Klausur werden könnte. Am Ende darf ich auch unter diese Arbeit eine 1 setzen. Ich freue mich. Darauf, dass ich den Schülern so gute Noten übergeben darf. Freue mich, dass ich so tolle Arbeiten korrigieren durfte. Dass die Aufgaben offenbar nicht zu schwer waren, denn es gibt auf jeden Fall zwei Einsen. Der Drahtseilakt zwischen Anspruch und Fairness ist mir offenbar gelungen. 

Dann liegt die dritte Klausur vor mir und ich beginne das Spiel von vorne. Gelegentlich landen kleine Anmerkungen auf dem Papier. Doch am Ende bin ich auch mit dieser Klausur sehr zufrieden. Es wird auch hier eine gute Note werden. Und obwohl ich mich für den Schüler freue, tauchen plötzlich Zweifel auf, die sich erst schleichend und mit verstreichenden Sekunden immer mehr wie eine dunkle Wolke über meine gute Laune legen. Ich halte inne. Szenarien huschen durch meine Gedanken. Von Kolleg:innen, die die Komplexität meiner Klausur in Frage stellen – vielleicht nicht direkt, aber insgeheim. 

Ich beginne, an mir selbst zu zweifeln: Waren die Aufgaben angemessen schwer? Ist mein Erwartungshorizont zu lasch? Ich beginne, mich durch meine Punktevergabe zu arbeiten. Soll ich an der Stelle lieber mehr Punkte abziehen, wenn etwas fehlt? Ich schiebe Punkte hin und her und weiß nach wenigen Minuten nicht mehr, was richtig ist. Es nervt mich, dass ich diese Gedanken habe. Es ist nicht fair und ich hasse es, dass diese Glockenkurve als Maß jeder Arbeit mir im Studium eingeflößt wurde. Ich schließe die Augen, atme ein und aus und bringe alles auf den Ursprungszustand.

Was, wenn die Klausur einfach unglaublich gut ausfällt? Ich lächele und schreibe eine 2+ unter die Klausur. Dann habe ich einfach Schüler:innen, die ihre guten Noten verdient haben. Und dann haben wir in der nächsten Stunde einfach alle etwas zu feiern.

Was hältst du von der so genannten Glockenkurve im Zusammenhang mit der Notenverteilung einer Klassenarbeit oder Klausur? Kannst du meine Gedanken nachvollziehen? Oder achtest du überhaupt nicht auf die Notenverteilung? Lass mir gerne einen Kommentar da!

Wenn dir mein Beitrag gefällt, freue ich mich, wenn du auf meinen Profilen auf Instagram, YouTube oder Facebook vorbeischaust. 

Diesen Beitrag teilen: