Manchmal muss man neue Wege beschreiten und dabei in Kauf nehmen, zu scheitern. Ich weiß, dass viele Lehrkräfte sich davor scheuen, nach dem Try and Error-Prinzip zu arbeiten, das mir aus der Informatik allgegenwärtig ist. Ich gestehe mir selbst wie auch meinen Schüler:innen zu, Fehler machen zu dürfen. Etwas auszuprobieren, vielleicht zu erkennen, dass es nicht gut war, und daraus zu lernen. So ging es mir am Anfang des Schuljahres, als ich meinem Q3-Grundkurs eröffnete, dass wir ein Experiment wagen würden: den Flipped Classroom.

Ich habe in anderen Beiträgen schon viel darüber geschrieben, deshalb möchte ich in diesem Beitrag nur mit euch teilen, was ich aus dem einen Jahr mit der Flipped Classroom-Methode mitnehme, welches Feedback mir mein Kurs gegeben hat und wie es nun weitergeht.

Vielleicht, um eine Größenordnung zu benennen: In dem Schuljahr sind etwa 120 Videos auf YouTube entstanden, die den Berliner Grundkurs der Q3 (Analytische Geometrie) und Q4 (Stochastik) vollständig abbilden. Ich habe also in meinem Grundkurs durchgehend mit dem Flipped Classroom gearbeitet. 

Reflexion der Schülerarbeit

Mein eigentliches Ziel, nämlich mehr Zeit für die Einübung und Entwicklung von Routinen zu bekommen, habe ich klar erreicht. Die Auslagerung neuer Inhalte nach Hause hat viel Unterrichtszeit eingespart. Gleichzeitig konnten wir während des Übens ausgiebig über die einzelnen Schritte ins Gespräch gehen, was den Schüler:innen geholfen hat, zu  verstehen und ggf. vorhandene Stolperfallen aus dem Weg zu räumen. 

Klar: Nicht alle Schüler:innen haben die Aufgaben gewissenhaft erledigt. Das hängt einerseits mit einer subjektiven Arbeitsbelastung und dem Setzen von Prioritäten zusammen (was ich völlig in Ordnung finde), andererseits aber auch mit der persönlichen Priorität des Fachs Mathematik. In der Q3, als alle noch Prüfungen schreiben mussten, hat der Großteil gewissenhaft die Videos angeschaut. In der Q4, da nur noch einige das Fach im Abitur belegen, ging der Anteil etwas runter. Es hat allerdings nie zu Verzögerungen im Unterricht geführt.

Was ich mitnehme

Es gibt ein paar Eckpunkte, die ich als Orientierung für meine weitere Arbeit mit dem Flipped Classroom nutzen werde:

  • Länge der Videos: Die Schüler:innen haben zurückgemeldet, dass eine Länge von etwa 2-3 Minuten ideal ist. Die Akzeptanz der Hausaufgabe war auch höher je kürzer die Videos waren. Die anfängliche Länge von 8 bis 10 Minuten habe ich schnell abgelegt. Mein Tipp: Lieber einen Inhalt gut durchdacht in einzelne Videos aufteilen.
  • Bilder und Skizzen, die ich in Videos verwende, können für Schüler eine Hilfe sein, um ihre Mitschriften zu ergänzen. Ich stelle sie ihnen deshalb zur Verfügung.
  • Manchen Schüler:innen fehlen gemeinsame Mitschriften wie Merksätze. Eine Möglichkeit, die ich testen werde, ist das gleichzeitige Formulieren eines Hefteintrags als Ergänzung zum Video. Ein Drahtseilakt könnte sein, den Aufwand insgesamt nicht zu hoch werden zu lassen. 

Reflexion des Arbeitsaufwands

Ganz klar: Der Flipped Classroom war für mich im ersten Durchgang nicht mit wenig Aufwand verbunden. Je länger ich es gemacht habe desto besser und schneller ging mir das Aufnehmen und Schneiden von Videos von der Hand. Dennoch ging dafür so mancher Abend flöten. Durchschnittlich habe ich an einem 3-Minuten-Video etwa 10 bis 20 Minuten gesessen. Mal etwas mehr, mal etwas weniger. Es kommt natürlich darauf an, wie oft man sich verspricht ;-) Am Ende weiß ich aber, dass ich mir durch die getane Arbeit in den folgenden Jahrgängen eine Menge Arbeit spare. 

Für die Arbeit mit H5P-Inhalten, die von meinem Grundkurs ja auch durchweg als positiv und gewinnbringend reflektiert wurde, war ab einem gewissen Zeitpunkt aber keine Zeit mehr. Ich habe es einfach nicht mehr geschafft – auch das muss man sich eingestehen können, um auf die Bremse zu treten. Aber: Das ist etwas, das man problemlos im nächsten Durchgang nachholen kann. 

1 Jahr Flipped Classroom: Und nun?

Ich kann nur eines sagen: Die Reise geht weiter. Insbesondere das Feedback meines Grundkurses hat mir gezeigt, dass ich für mich auf dem richtigen Weg bin. Ich werde also im nächsten Jahr hoffentlich einen neuen Grundkurs bekommen, so dass ich die Inhalte der Q1 und Q2 ergänzen kann. Die Videos, die ich für die Q3 und Q4 bereits verfügbar habe, werde ich ihm nächsten Durchgang durchgehend mit H5P-Inhalten hinterlegen und somit ergänzen. Ich denke gerade auch darüber nach, mein Experiment in meiner eigenen Klasse fortzuführen – im nächsten Jahr dann also in einer 6. Klasse. Es geht also weiter mit dem Flipped Classroom.

Hast du Fragen zum Flipped Classroom, zur Umsetzung, zu Problemen,…? Dann her damit – ich freue mich auf deinen Kommentar.

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