Vor etwa einer Woche habe ich dir im ersten Teil der Reihe von Plickers erzählt und welche Möglichkeiten es bereithält. Heute folgt Teil 2: Ich erzähle dir aus meinem alltäglichen Mathematikunterricht und wie ich Plickers seit Februar diesen Jahres, also nun seit neun Monaten, einsetze. Dabei gehe ich am Ende auf die Beobachtungen ein, die ich gemacht habe. Den Abschluss bildet mit Teil 3 eine Evaluation, die ich mit meinen Schülern kürzlich durchgeführt habe. Diese hält interessante Erkenntnisse bereit, die ich selbst in dem Ausmaß gar nicht erwartet hatte.

So kam ich zu Plickers

Als ich im Februar meine damalige 8. Klasse im Fach Mathematik übernahm, traf ich auf eine Klasse, in der 9 von 30 Schülern mit einer 5 benotet waren. Die Schüler waren sich einig, Mathematik nicht zu verstehen und hatten keinen Spaß mehr am Fach. Die Motivation war auf einem Tiefpunkt angelangt. Durch Probleme zwischen dem vorherigen Lehrer und der Klasse blockierten viele regelrecht, da sie der Meinung waren, dass sie Mathe ohnehin nicht könnten. Dadurch kamen große Lücken in elementaren Themengebieten hinzu. Der Unterricht konnte nicht mehr effektiv stattfinden und die Klasse lag weit im Lehrstoff hinterher. Mir war schnell klar, dass ich da ein paar Baustellen angehen musste: Mangelnde Motivation, mangelnde Selbstwirksamkeit und große Lücken im Stoff.

Ich hatte zunächst keine Antwort auf diese Problemstellungen. Manchmal denkt sich das Schicksal aber etwas bei seinen Fügungen. Ich hörte in meiner zweiten Woche in einem Vortrag von Plickers. Da wusste ich sofort, dass diese Idee genau das war, was ich brauchte. Ich überlegte etwa eine weitere Woche lang, ging unterschiedliche Ansätze durch und entschied mich dann, tägliche Übungen mit Plickers zu ritualisieren.

Die Theorie dahinter

Dass das Üben im Mathematikunterricht unheimlich wichtig ist, ist keine neue Erkenntnis. Nach Regina Bruder umfasst Üben  alle Lerntätigkeiten, die darauf ausgerichtet sind, neue oder schon früher kennengelernte Begriffe, Zusammenhänge und Verfahren sowie Vorgehensstrategien in variierenden Kontexten verfügbar zu haben und verwenden zu können. [1] Sie unterscheidet dabei verschiedene Arten des Übens. Das tägliche Üben findet man bei Bruder unter der Kategorie vermischte Kopfübungen wieder. Diese sollen nicht länger als 10 Minuten dauern und dienen dem Wiederholen und Wachhalten von Basiswissen. (vgl. [1])

Unterrichtseinstieg ist nicht gleich Unterrichtseinstieg. Das haben nicht zuletzt Johannes Greving und Liane Paradies vielfach thematisiert. Zwei Formen, die für mich von Bedeutung waren, sind die Stundeneröffnung und das stoffliche Aufwärmen. Die Stundeneröffnung bezeichnet eine so genannte Vorphase, in der ritualisierte Handlungen stattfinden, das eigentliche  Unterrichtsthema aber noch nicht begonnen wird. Das stoffliche Aufwärmen stellt dann die Übergangsphase zum Unterrichtsthema dar: es soll an das vorherige Thema angeknüpft werden und hat einen wiederholenden Charakter. (vgl. [2])

Natürlich haben beide Phasen gewisse Funktionen: Dazu zählen das Ankommen in der Stunde und das Aufbauen einer ruhigen und konzentrierten Arbeitsatmosphäre. Die Schüler können Fragen und Probleme aufwerfen, die noch nicht verstanden wurden und sich gleichzeitig selbst kontrollieren. Am Ende soll die Aufmerksamkeit für das eigentliche Stundenthema stehen. (vgl. [2])

Meine Umsetzung stellt eine Mischung aus Stundeneröffnung und stofflichem Aufwärmen dar: Ich habe den Stundeneinstieg ritualisiert, beschränke mich dabei aber nicht immer darauf, themenunabhängig zu eröffnen, sondern auch mal den wiederholenden Charakter des stofflichen Aufwärmens zu nutzen.

So setze ich Plickers in meinen Mathestunden ein

Plickers stellt in meinem Unterricht einen wichtigen Bestandteil meiner Stundeneröffnung dar. Nach dem kurzen Anschneiden des Stundenfahrplans erfolgt in jeder Stunde eine 10-minütige Phase des täglichen Übens mit Plickers. Die Fragen waren anfangs exakt auf die zu schließenden Lücken und das angrenzende Themengebiet abgestimmt, umfassen mittlerweile aber zahlreiche unterschiedliche Themengebiete, auch aus unteren Klassenstufen. Nach jeder Frage wird die Lösung von einem oder mehreren Schülern, auch auf unterschiedliche Arten, begründet. Es wird darauf geachtet, dass nicht offen gezeigt wird, wer welche Antwort gegeben hat, um Schüler nicht bloßzustellen.

Das Verhalten während der Plickers-Übungsphase musste zunächst eingeübt werden, was aufgrund der Begeisterung der Schüler aber unproblematisch verlief. Wichtig ist, dass eine ruhige Arbeitsatmosphäre herrscht und jeder Schüler alleine über die Frage nachdenken kann, um seine Lösung dann anzuzeigen. In den ersten drei Monaten nutzte ich ausschließlich Aufgaben, die durch Nachdenken zu lösen waren. Nach etwa drei Monaten übte ich dann den nächsten Schritt ein: Auch Quizfragen zu nutzen, die Blatt und Papier für Rechenwege voraussetzen. Auch das hat nach einer kurzen Einübungszeit problemlos funktioniert.

Diese Beobachtungen habe ich machen können

Im Unterricht konnte ich die Begeisterung der Schüler schnell beobachten. Sie sind stets motiviert bei der Sache und ganz traurig, wenn Plickers aus organisatorischen Gründen doch mal ausfallen muss. Die Ritualisierung zu Anfang der Stunde ermöglicht tatsächlich, die Aufmerksamkeit der Schüler zu fassen, sie zu aktivieren und für den thematischen Einstieg danach die Motivation beizubehalten. Die Kommunikationsanlässe werden von der Klasse genutzt, Fragen aufzuwerfen und sie sich gegenseitig zu beantworten.

Für mich als Lehrkraft ergeben sich weitere Vorteile: Ich kann die individuelle Entwicklung meiner Schüler exakt im Auge behalten – kann sehen, wo die Klasse noch Lücken hat, welche Fragen sinnvollerweise in ähnlicher Weise eingesetzt werden sollten. Wenn ich Fragen nutze, die wiederholenden Charakter haben und thematisch angegliedert sind, kann ich überprüfen, ob die SuS noch Übungsphasen im aktuellen Thema benötigen oder Unklarheiten bestehen. Im Gegensatz zu üblichen täglichen Übungen spare ich eine Menge Zeit, denn die Korrektur der Ergebnisse entfällt vollständig.

Mein Fazit

Die Evaluation werde ich in Teil 3 ausführlich beleuchten und dir interessante Ergebnisse präsentieren. Doch ich nehme nichts vorweg. Zusätzlich zur Evaluation habe ich bewusst Quizfragen doppelt verwendet. Dabei habe ich einen Zeitraum von etwa 4 bis 8 Monaten zwischen einer erneuten Fragestellung Zeit gelassen. Es zeigte sich, dass die Schüler sich – trotz mehreren Monaten dazwischen – verbessern. Ich habe zahlreiche Fragen im Februar/März zum ersten Mal und nun im November zum zweiten Mal gestellt. Vier davon zeige ich dir unten. In nahezu allen doppelt gestellten Fragen, war eine Verbesserung zu bemerken, die mal weniger groß und mal größer ausfiel. In lediglich zwei doppelt gestellten Fragen war eine Verschlechterung um eine Schülerstimme festzustellen.

Auch die fehlende Korrekturzeit, die für die Lehrkraft auf die Woche gerechnet enorm ist, sowie die individuelle Entwicklung visualisiert betrachten zu können, ist ein kräftiges Argument für Plickers. Was bleibt sind technische Hürden, die minimiert werden, aber nicht gänzlich ausgemerzt werden können.

Eine Auswertung meiner Baustellen, die sich anfangs zeigten, möchte ich dir an dieser Stelle schuldig bleiben. Zusammen mit der Evaluation werde ich in Teil 3 der Plickers-Reihe Licht ins Dunkel bringen

Mein persönlicher Ausblick

Die Idee von Plickers verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Begeisterung meiner Klasse übertrug sich auf die Eltern. Diese trugen es an die Schulleitung und diese wiederum an andere Kollegen weiter. Die Schüler sind begeistert, die Eltern sind es, die Lehrer auch. Dadurch, dass nun immer mehr, auch fachfremde, Kollegen auf mich zu kommen, hatte ich die Idee einer  Lehrerfortbildung für unser Kollegium, die jetzt schon begeistert angenommen wurde.

Letzte Woche startete ich in meiner Klasse eine Testrunde für ein neues Konzept: Ich übertrug die Verantwortlichkeiten für die täglichen Übungen an meine Schüler selbst. Dafür habe ich einen extra Account eingerichtet, die Zugangsdaten habe ich an die Schüler weitergegeben. Jede Stunde bereitet ein anderer Schüler 4-5 Fragen aus einem Themengebiet seiner Wahl vor. So beziehe ich die Schüler nochmal mehr ein, nehme sie in die Verantwortung und bringe etwas thematische Vielfalt in die Stunden. Bisher bin ich mit dem Verlauf sehr zufrieden und die Klasse freut sich, selbst einmal Lehrer spielen zu dürfen.

Ansonsten steht auf meiner Agenda, einen Fachbereichsaccount einzurichten. Dieser soll als Fragendatenbank dienen. Die Lehrer können sich einloggen, ihre Klassen einrichten und in einer Ordnerstruktur Fragen hinzufügen. So kann jeder Lehrer diesen Account bei Bedarf nutzen, hat themengerechte Fragen an der Hand und die Einstiegshürde für Lehrer, die Plickers einfach mal  ausprobieren wollen, ist geringer. Einen Satz Plickers-Karten werde ich dafür im Lehrerzimmer hinterlegen. Offen bleibt, ob so viele Lehrer Interesse zeigen, dass es Überschneidungen und somit Account-Probleme gibt. We’ll see

Was denkst du über meinen Einsatz von Plickers für das Fach Mathematik? Ich freue mich über deine Kritik und einen Kommentar!

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Quellen:

[1] Bruder, Regina (2008). Üben mit Konzept, in:  Mathematik lehren (2008), 147, 4-11.

[2] Greving, Johannes & Paradies, Liane (1996). Unterrichts-Einstiege: ein Studien- und Praxisbuch, Cornelsen Verlag Scriptor GmbH & Co. KG, Berlin

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