Die letzten Wochen sind herangebrochen. Zeugniskonferenzen haben begonnen und ich bin aktuell dabei, meine Zeugnisse zu schreiben. Das bedeutet natürlich Mehraufwand, doch ich möchte es mir nicht nehmen lassen, mit dir über etwas zu sprechen, was ich persönlich unheimlich wichtig finde: Zeit zu finden, zurückzudenken, das Schuljahr Revue passieren zu lassen und sich neue Ziele zu stecken. Das ist irgendwie lustig, denn das Ende des Schuljahres scheint für viele Kollegen die Zeit für eine Evaluation zu sein, in der der obligatorische Evaluationsbogen ausgeteilt wird. Gar nicht so  selten landen die Ergebnisse dann in einer Schublade und werden nicht mehr angeschaut. So ist es natürlich nicht gedacht. Ich werde dich heute daran teilhaben lassen, mit Hilfe welcher zwei Varianten ich meine Reflexions- und Evaluationsprozesse organisiere und stelle dir eine meiner Vorlagen zum individuellen Anpassen zur Verfügung. Viel Spaß beim Lesen!

Die Sache mit dem Selbst- und Fremdbild

Wir wissen alle, wie das ist: Selbst- und Fremdbild stimmen häufig nicht überein. Im dramatischen Fall nicht mal ansatzweise Um sich nicht auf seine (möglicherweise falsche) Einschätzung zu verlassen und blinde Flecke zu identifizieren, also Sachverhalte oder Situationen, die man nicht bemerkt oder ganz anders eingeschätzt hat, ist es sinnvoll, sich regelmäßig Feedback einzuholen. Wie regelmäßig es für dich sinnvoll ist, musst du gewissermaßen selbst entscheiden. Das hängt nicht nur von deinen Zielen ab, sondern auch von der Zeit, die du zur Verfügung hast.

Evaluation: Wie oft ist oft genug?

Doch wie oft sollte man sich Feedback einholen? Wie oft eine Evaluation durchführen? Die Antwort ist ganz einfach: kommt drauf an Es kommt darauf an, was du erreichen willst. Darauf, wie oft du die Lerngruppe wöchentlich siehst. Und darauf, welche Position du innehast. Es kommt darauf an!

Wer sich selbst und seinen Unterricht im Verlauf reflektieren möchte, was zum Beispiel im Referendariat sehr sinnvoll sein kann, sollte sich regelmäßig Feedback einholen. Wenn du am Ende des Schuljahres wissen möchtest, ob den Schülern die Unterrichtsreihe zum Thema Datenbanken gut gefallen hat, um Schwachstellen festzustellen und im nächsten Durchgang auszumerzen, benötigst du tatsächlich nur eine Evaluation am Ende des Schuljahres. Ein einmaliges Evaluieren am Ende des Schuljahres kann höchstens ein Anstoß sein, bestimmte Dinge im folgenden Schuljahr anders zu machen als bisher.

Ich persönlich wünsche mir häufig Feedback zu Prozessen, also ob sich Situationen und Gegebenheiten verbessert oder verschlimmert haben. Davon können kurzfristig alle profitieren: die aktuelle Lerngruppe, ich selbst und insbesondere die Unterrichtsqualität.

Rahmenbedingungen richtig einschätzen

Bevor ich dir erzähle, wie ich mir wöchentlich Feedback einhole, sollte ich dir vielleicht etwas zu den bei mir vorherrschenden Rahmenbedingungen erzählen. In der Klasse, in der ich mir wöchentlich Feedback einhole, bin ich Klassenlehrerin. Ich sehe meine Schüler drei mal in der Woche für je 60 Minuten.

Du siehst, dass an dieser Stelle mehrere Dinge zusammenkommen: Klassenleitung und ein Fach, das mit 180 Minuten wöchentlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Rahmenbedingungen betreffen aber auch andere Elemente: Wie vertrauensvoll ist der Umgang mit der Lerngruppe bereits? In welchem Alter ist die Lerngruppe? Ist sie in der Lage, Kritik offen zu äußern oder macht anonymes Feedback mehr Sinn? Das sind Aspekte, die dir in deiner Umsetzung bewusst sein sollten. Ein gewisser Lernprozess und Einübungsprozess für Feedbackkultur ist übrigens ganz normal!

Variante 1: Wöchentliche Feedback-Runden

Vielleicht liegt es an meinem Fach (Mathematik), vielleicht aber auch an meiner Position als Klassenleitung: Vertrauensvolles Zusammenarbeiten mit meiner Klasse öffnet Türen, die mir wichtig sind: eine angstfreie Lernumgebung und Arbeitsatmosphäre, eine sinnvolle Fehlerkultur, das freie Äußern von Kritik, gegenseitiger Respekt und gegenseitige Wertschätzung.

Meine Umsetzung für wöchentliches Feedback sieht folgendermaßen aus: Die letzten 15 Minuten der Woche beginne ich und teile der Lerngruppe meinen Eindruck der Woche mit. Was hat gut funktioniert? Woran sollten wir also festhalten? Was können wir optimieren und was wünsche ich mir für die nächste Woche? Man sollte möglichst versuchen, nicht nur Kritik zu äußern, sondern auch positive Dinge hervorzuheben. Danach gebe ich das Wort an einen Schüler der Lerngruppe weiter, der ebenso seine Eindrücke der Woche an mich weitergibt. Das Feedback unterbreche ich höchstens für wichtige Nachfragen – die Schüler übergeben das Wort mit Hilfe einer Redekette selbstständig. Wichtig: Ich notiere mir auf einem vorgefertigten Formular die geäußerten Punkte. Das hilft mir, mich im Nachhinein zu erinnern und bei der Planung der neuen Woche geäußerte Kritik zu berücksichtigen.

Warum wöchentliches Feedback?

Jetzt mag man sagen, dass die 15 Minuten, die ich mir in jeder Woche für gegenseitiges Feedback nehme, Zeit ist, die man nicht hat. Zeit, die an anderer Stelle fehlt. Das haben mir zahlreiche Kollegen so prophezeit.

Was ich nach 1,5 Jahren ritualisiertem, wöchentlichem Feedback sehe, ist Folgendes: Die Zusammenarbeit und Arbeitsatmosphäre ist durch das geschaffene Vertrauensverhältnis, in dem offen Kritik geäußert werden kann und in dem jede Kritik ernst genommen wird, unheimlich gut. Schüler sehen, dass die Kritik nicht nur angenommen, sondern auch in der folgenden Woche umgesetzt wird. Das motiviert und schafft weiteres Vertrauen. Unsere Zusammenarbeit profitiert durch das wöchentliche Feedback enorm: Rituale und Arbeitsprozesse werden stetig optimiert, was wiederum Zeit spart und Konzentrationslücken seltener auftreten lässt. Die 15 Minuten, die auf den ersten Blick viel erscheinen, tragen demnach umheimlich viel zum Gelingen des Unterrichts und zur Unterrichtsqualität bei.

Variante 2: Fragebögen zur Evaluation

Dass ich das nicht in allen Kursen machen kann, ist klar. Es ist auch nicht in allen Kursen sinnvoll, denn bei allen Vorteilen kostet es nun mal Zeit, die man nicht hat, wenn man Lerngruppen nur zwei Mal wöchentlich sieht. In meinen Informatikkursen geht es mir häufig um eine Bewertung der Unterrichtsqualität nach abgeschlossenen Unterrichtsreihen. Dafür kommen bei mir Evaluationsbögen zum Einsatz. Der Vorteil liegt auf der Hand: die Evaluationsbögen können anonym ausgefüllt werden, sie sind  wahrscheinlich der Garant für ehrliches Feedback und können im Unterricht mit geringem Zeitaufwand ausgefüllt werden. Die Auswertung kann dann bequem nach dem Unterricht stattfinden.

Hinweise für die Gestaltung einer Evaluation

Es gibt ein paar Hinweise für Evaluationsbögen, die man beachten sollte, um möglichst verwertbare Ergebnisse zu erhalten und den Auswertungsprozess dennoch möglichst schnell abschließen zu können.

  1. Lass in den Antwortmöglichkeiten keine Mitte zu. Viele Schüler neigen entweder zu Extremen oder zur Mitte. Wenn es keine Mitte gibt, erzwingt man eine Entscheidung für die positive oder negative Seite. Das ist für unsere eigene Reflexion gut!
  2. Lass möglichst viel ankreuzen. Einerseits erleichtert uns das die Auswertung, andererseits sind viele Schüler schreibfaul. Seien wir ehrlich: Hättest du eher Lust, einen Text zu schreiben oder ein paar Kreuze zu machen?
  3. Platz für Anmerkungen. Oft möchten Schüler dir noch etwas mitteilen, was vielleicht zu keinem anderen Thema passt. Benutze also ein Feld, das Platz für weitere Kommentare bietet. Die Anmerkungen können sehr hilfreich sein!
  4. Überlege dir vorher, was du wirklich wissen willst. Vorgefertigte Evaluationsbögen können helfen, um sich Anregungen und Ideen zu holen. Du solltest dir aber stets überlegen, was du dir von der Evaluation versprichst. Was interessiert dich gerade wirklich? Tausche auch mal Fragen von Jahr zu Jahr aus und passe sie an deine aktuellen Bedürfnisse an.

Ich habe für dich meine aktuelle Version hochgeladen, die ich dir unter der Creative Commons-Lizenz zur Verfügung stellen möchte. Das heißt für dich: Du darfst die Vorlagen bearbeiten, kopieren und unter Namensnennung weitergeben. Eine Weitergabe erfolgt unter gleichen Bedingungen und nicht kommerziell.

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Tipp: Druck im Querformat mit zwei Seiten auf einer Seite. Hört sich komisch an, aber du weißt sicherlich, was ich meine

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So, jetzt bin ich aber neugierig Wie oft holst du Feedback ein? Lieber anonym oder ganz offen? Hast du andere Methoden? Erzähl mir davon, ich freue mich über Anregungen und Hinweise.

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